Einordnung: subtiler, surrealer Gegenwartshorror; spielt in Kalkutta/Indien
Clawdeen sagt: Mega-Erstling mit verstörender Sogwirkung

goettin2Dass mich vor allem Terror von Dan Simmons schwer begeistert hat und sicherlich als mein Lieblingsbuch bezeichnet werden könnte, hat ja der eine oder andere schon mitbekommen in der Vergangenheit. Tatsächlich ist das allerdings weder der erste noch der einzige Roman von Simmons, den ich bisher gelesen habe. Der erste war nämlich Göttin des Todes.

An diesen Roman bin ich gekommen, nachdem mir Dan Simmons mehrfach als Autor phantastischer Romane empfohlen worden war. Damals spielte ich in einer Vampire, die Maskerade-Rollenspielkampagne eine klassisch aus Indien stammende Ravnos-Vampirin, lernte Hindi und war auch sonst gerade schwer in einer Phase, in der ich mich mit indischer Mythologie, indischen Autoren und Co. beschäftigte. Namensgebend für Göttin des Todes ist selbstredend Kali, und der Roman spielt in Kalkutta, also genug Anreiz, es einmal mit Dan Simmons zu versuchen.

Der Inhalt klingt zunächst einmal unspektakulär. Es geht um einen Schriftsteller und Herausgeber eines Magazins für östliche Dichtung, der mit seiner Frau und seiner Tochter, noch im Säuglingsalter, nach Kalkutta reist, um dort das geheimnisvolle Manuskript eines vermeintlich toten indischen Lyrikers zu erwerben. Dass seiner Frau, gebürtig aus Indien, die Rückkehr in die Heimat nicht so recht gefallen mag und sie schließlich allein ihm zuliebe mitreist, gibt einen Hinweis auf möglicherweise zu erwartende Konflikte, aber das war es dann auch schon.

Doch kaum in Kalkutta angekommen, beginnen die Stadt, die Handlung und das Buch regelrecht zu atmen, und das sehr schwer. Man findet sich wie in einer Spirale, zunächst noch am oberen Ende, in einer dreckigen Stadt voller Elend und Abgründen wieder – und es geht unaufhaltsam abwärts. Man taucht mit dem Protagonisten einen Strudel hinab, der mit Neugier beginnt und gewissermaßen mit Obsession endet. Alles schwurbelt in einem Sog, der immer surrealer wird, vor allem aber immer bedrückender. Und am Ende bleiben Leere und Verstörung.

Göttin des Todes ist ein Roman, den man aufmerksam lesen muss, gerade weil sich irgendwann die Spur ein bisschen verliert, was nun wahr ist, was gelogen, was erfunden, und zugleich ist es doch auch ein Pageturner. Anfangs fällt es nicht schwer, das Buch aus der Hand zu legen, aber Vorsicht: Das bleibt nicht so. 😉

Mit diesem Roman, übrigens Simmons’ Erstling von 1985, hält man einen subtilen Horrorroman mit großer Bildhaftigkeit und einer ordentlichen Prise Surrealem, mehr als “greifbarem” Horror, in Händen.

Mich selbst hat der Roman auch noch eine Weile im Nachhinein beschäftigt, nicht zuletzt wegen seines verstörenden Verlaufs. Ich halte ihn für eine absolute Empfehlung für Leute, die sich durch Subtiles in den Bann schlagen lassen.

Erhältlich ist das Buch aktuell leider nur noch gebraucht. Tipp für Leute, denen das Cover egal ist: Die Ausgaben haben sehr unterschiedliche Gebrauchtpreise vom Centpreis bis hoch zu vierzig Euro! Teils hat man auch mit dem Originaltitel Song of Kali Glück.Und wer lieber Hörbücher mag, findet eine ungekürzte Lesung (von Detlef Bierstedt, v.a. bekannt als deutsche Stimme von George Clooney) des Ganzen bei Audible.

Ach, und einen kleinen Vampire, die Maskerade-Plot habe ich daraus übrigens auch noch herausziehen können. Vampire höchstpersönlich findet man allerdings in anderen Büchern des Autors. Aber dazu ein anderes Mal mehr.