Vielleicht werden jetzt einige entrüstet aufschreien, aber meine Antwort darauf lautet: Nein, ist es nicht. Ich würde allerdings hinzufügen: Das ist es aber wert!
Ich selbst habe es erst im zweiten Anlauf geschafft, meine Ernährung auf eine vegane umzustellen, das vorweg. Alles andere (Haushaltsmittel, Kleidung, Kosmetik etc.) kam schleichend hinzu.
Anfangs fand ich es unglaublich nervig, auf jeder Packung erst das Kleingedruckte lesen zu müssen. Es war lästig, dass auf einmal so viele Lebensmittel und Gerichte “weg” waren. Ich hatte zuvor längere Phasen des Pudding-Vegetarismus, sprich: Ich habe sehr viele Milchprodukte konsumiert. Nicht mal Milch selbst, sondern eben Sahne(saucen), Käse, Pudding und so weiter. All das fiel plötzlich auch noch weg, und dann hat man eben das Gefühl, dass man verzichtet, sich selbst kasteit, “nix mehr essen kann”. Von daher kann ich die Frage von Nicht-Veganern “Was kannst du denn dann überhaupt noch essen?” gut verstehen, auch wenn sie mich mittlerweile nervt.
Nach den ersten Wochen, in denen ich mich quasi von Kartoffeln mit Tomatensauce und ähnlichem Schnickschnack ernährt hatte, aber auch gemerkt habe: “Yeah, Pommes mit Ketchup sind vegan!”, habe ich aufgegeben. Ich hatte Unmengen an Geld ausgegeben für Ersatzprodukte und dennoch das Gefühl, nichts “Gescheites” zu essen. Nee, dieses Veganding, also das war mir echt zu aufwändig.
Gegrübelt habe ich als Wieder-Vegetarierin dann trotzdem. Wie kriegen das andere Leute denn hin, vegan zu essen? Essen die echt nur noch Salate, Kartoffeln und verzichten auf alles mögliche, auf leckere Sachen? Sind die alle reich, dass sie es sich leisten können, Unmengen an Ersatzprodukten zu konsumieren?
Die Erkenntnis kam mit der Bolognese. Ich entdeckte ein Rezept für die allseits bekannte Bolognese mit Sojagranulat. Die war lecker. Dann gab es da dieses Rezept mit geriebenem Tofu. Und danach entdeckte ich das Rezept für Linsenbolognese (mein persönliches Highlight!). Moment mal, also konnte man Bolognese auf mindestens drei verschiedene Arten herstellen. Und die Fleischvariante war mit … naja, Fleisch halt. Gut, man kann beim Fleisch variieren und eigentlich sind Tofu und Sojagranulat ja auch Varianten – aber es blieb die Version mit den Linsen. Die war also quasi “mehr”.
Für mich war das damals ein echter Aha-Effekt. Ich begann, nach mehr Rezepten zu suchen, die eben irgendwie “mehr” waren, und dann machte es “Klick”. Man muss einfach über den Tellerrand schauen, neue Zutaten, neue Rezepte ausprobieren, ein bisschen variieren, experimentieren. Es ist im Grunde so einfach …
Außerdem begriff ich, dass diese Packungsleserei relativ schnell ein Ende hat, denn man kauft eh nicht alles mögliche aus dem Supermarkt, sondern hat immer nur einen gewissen Stock an Sachen, die man immer wieder kauft. Und umso natürlicher die Zutaten, desto weniger muss man lesen.
Und ich begriff, dass Kräuter und Gewürze ein Schlüsselelement für leckeres Essen ist. Eigentlich wusste ich das längst und habe auch viel mit Kräutern und Gewürzen gekocht. Aber mir war die Bedeutung davon nicht bewusst. Niemand isst einfach immer dieselbe Wurst oder bestellt sich einfach “was vom Schwein” beim Metzger. Was man da so kauft, schmeckt unterschiedlich, hat einfach unterschiedliche Formen, Konsistenzen und Würze, so wie Trinkmilch, Buttermilch, Joghurt und Co. ja auch unterschiedlich sind und schmecken.
In den Gesundheitsförderungskursen, die ich eine Zeit lang gegeben habe, stand am Anfang des Ernährungsteils immer die Frage, wie man selbst so kocht und isst. Auch das war ein Aha-Erlebnis, denn alle Teilnehmer sagten stets von sich, dass sie frisch kochen würden, meist täglich, selten mal Fast Food kaufen oder bestellen würden. Und im Verlauf stellte sich so gut wie immer heraus, dass “frisch kochen” hieß, verschiedene Dosen und Tüten, oft noch mit einer Portion vorgewürztem/marinierten Fleisch vom Metzger oder aus der Discountertheke, gemeinsam in einem Topf oder einer Pfanne frisch zu erhitzen und mit Salz, Pfeffer und manchmal noch ein paar Gewürzen mehr nachzuwürzen. Selbst eine Brühe kochen? Einen simplen Teig herstellen? Ein Salatdressing ohne Tüte anrühren? Fehlanzeige! Und das waren keine Ausnahmen; ich rede hier insgesamt von einer Erfahrung mit Leuten im dreistelligen Bereich. Das waren erwachsene Menschen, oft mit Kindern, selten mit Enkelkindern, die mit beiden Beinen im Leben standen, einfach ganz normale Leute. Mir hat das sehr zu denken gegeben. Wir sind hierzulande so sehr daran gewöhnt, alles vorgefertigt zu kriegen, dass wir vielfach verlernt haben, wie man etwas selbst herstellen kann – und kriegen es nicht mal unbedingt mit. Geht halt schnell und ist günstig, oder besser gesagt: billig.
Für eine ausgewogene vegane Ernährung ist es unabdingbar, dass man sich mit Lebensmitteln und deren Zubereitung auseinandersetzt. Das mag je nach vorhandener Basis wochenlang tatsächlich für manche bedeuten, dass sie viel Zeit mit Planung, Einkauf und Kochen verbringen. Auch so eine Hürde: “Das ist mir zu aufwändig, so viel Zeit hab ich nicht”. Tatsächlich haben wir alle jeden Tag dieselben 24 Stunden zur Verfügung, die Zeit ist also da, die Frage ist eher, ob und wie man sie sich nimmt, oder besser: gönnt. Auch das wird leichter mit der Zeit, denn man kocht auch nicht jeden Tag des Jahres ein anderes Gericht, sondern bestimmte Dinge wiederholen sich auch da immer wieder, ob nun pro Woche, Monat oder wie auch sonst. Es reicht also aus, sich einen Grundstock an leckeren Gerichten zu erarbeiten und danach nur noch von Zeit zu Zeit Neues auszuprobieren. Aber diese Zeit, die muss man bereit sein zu investieren. Für mich selbst war das eine tolle Zeit, und es endet nicht, denn man kann immer etwas Neues ausprobieren, wenn man mag. Und nach einer Weile mag man vielleicht immer mehr. Denn das, was man da so an Gerichten fabriziert, das schmeckt einfach anders und man spürt, dass es einem etwas “bringt”. An diesen Motivator muss man aber erst mal kommen.
Kurzum:
- Man sollte Bock haben, sich mit Lebensmitteln und eben gerade mit dem, was man sich so in den eigenen Körper packt, auseinander zu setzen.
- Man sollte Bock haben, Neues auszuprobieren.
- Man sollte Bock auf’s Kochen o.ä. haben, oder man sollte zumindest Bock haben, diesen Tätigkeiten eine Chance zu geben.
Noch kürzer:
Du musst Bock darauf haben und neugierig sein.
Alles andere kommt von alleine mit der Zeit. Übrigens ist die eingesetzte Zeit eine Investition. Mit der Zeit muss man weniger davon aufwenden, und das, was man bereits reingesteckt hat, kommt auf Umwegen teils auch wieder zurück, weil man für die übrige Zeit einfach mehr Power entwickelt.