Seit einer ganzen Weile schon mache ich mir Gedanken zum Thema Lesen beziehungsweise zum Leseverhalten. Warum also nicht mal diese Gedanken bloggen?

Hach, damals …

Eigentlich war ich ja immer die klassische Leseratte, oder Buchverschlingerin, das würde noch besser passen. Zugegeben, an das Pensum meines Vaters konnte ich nie heran (das weiß ich so genau, weil er mir seine gelesenen Romane stets weitergab und sich das alles verdammt schnell stapelte), aber unter zumindest 3000 Seiten pro Monat kam ich eigentlich selten.

Als mein Vater starb, brannte sich ein Bild in meinen Kopf, das ich dort noch immer sehe: die ungelesenen Romane auf dem Nachttisch meines Vaters.

Es war ein gutes Dutzend. Die meisten hatte er mir vorher schon gezeigt, nachdem er sie gekauft hatte, zwei waren auch dabei, die ich ihm geschenkt hatte. Ich habe diese Bücher damals wie viele andere von ihm ebenso mitgenommen. Aber ich hab von diesem Moment an über Jahre quasi keine Seite mehr lesen können. Zeitschriften, Sach-/Fachbücher, Pen&Paper-Regelwerke, die schon, immer abschnittsweise ein bisschen hier, ein bisschen da. Aber Geschichten konnten mich nicht mehr fesseln. Ich weiß auch nicht, warum sich dieses Bild so ausgewirkt hat (hätte ja auch gegenteilig laufen können), aber ich hatte damit lang Probleme. So viele (neue) Bücher, deren Klappentext so spannend klingt – aber keine Muße zum Lesen.

Anfang 2014 gab es dann einen Durchbruch. Ich fing wieder an zu lesen, wenn auch recht langsam, und in meiner Euphorie erstellte ich mir einen Youtube-Kanal nur zum Thema Bücher. Das stellte sich auch als ausgesprochen gute Idee heraus, denn so wurde ich auf andere “Booktuber” aufmerksam (und ein paar auf mich), fand TAGs und andere Themenaktionen rund um Bücher, bei denen ich mitmachen und dadurch noch mehr lesen konnte. Mein Lesepensum stieg an, und ich war damit äußerst happy. Das Ganze hielt knapp ein halbes Jahr an, dann kam der Sommer, dann kam wieder eine Unmenge Stress, und das war es dann auch schon wieder. Keine Büchervideos mehr und auch kaum mal ein gelesener Roman.

Nachdem ich 2015 nach Bayern gezogen war, haben Tsu – sozusagen auch eine Ex-Leseratte – und ich wieder gemeinsam angefangen zu lesen. Die gleichen Sachen, andere Sachen. Und wir haben beide mittlerweile ein Faible für (natürlich ungekürzte) Hörbücher, durch die wir ebenfalls dieselben Geschichten zeitgleich miteinander teilen können. Wir lesen aber auch beide. Sehr gern, aber im Romanbereich tendenziell wenig.

Leseblockaden & Flautendruck

Immer wieder lese ich (ha!) oder sehe ich irgendwo Leute, die von Leseblockaden schreiben oder reden. Da steckt immer mehr oder weniger viel Druck drin. Kann ich nachvollziehen, weil ich selbst mich auch lang gefragt habe, was zum Geier “nicht mit mir in Ordnung” ist, dass ich plötzlich so wenig lese, obwohl ich früher ganze Tage und Nächte mit nichts anderem verbringen konnte. Was war da anders?

Am meisten fällt mir das bei MsBookpassion auf, wohl weil ich ihren Blog (oder ihre Blogs, denn da hat sich ja mehrfach was geändert im Verlauf der Zeit), unter anderem durch die Kombination mit dem zugehörigen Youtube-Kanal, seit gut 2 Jahren verfolge.  Und einer dieser Blogartikel hat mich dann statt zu einem Kommentar auch zu diesem Artikel inspiriert.

Locker bleiben!

Was hängt – außer dem eigenen Ego – eigentlich davon ab, ob man viel oder wenig liest? Ich glaube: nichts.

Gibt es sowas wie ein “Lese-Ich”? Ich denke schon, aber ich denke auch, dass “Lese-Ich” sowas ist wie “das Leben”.

Hast du “das Leben”? Ich hab sowas nicht und kann mir auch nicht vorstellen, dass andere sowas haben. Leben ist im Fluss, ist im Wandel, ist mal lau, mal entspannt, mal stürmisch … warum sollte das bei so einem Lese-Ich anders sein?

Warum überhaupt einem “Lese-Ich” von einst hinterher laufen? Ich hab früher auch mal Bücher in Schreibschrift geliebt und hatte eine lange Phase, in der nichts über Pferdegeschichten ging. Ist ewig her, war schön, wünsche ich mir aber auch nicht zurück. Da akzeptiert man einfach, dass das halt “früher” war, Kindheit, Jugend und so weiter. Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, dass man ab Anfang 20 (oder wann auch immer) plötzlich immer gleich lesen muss, also gleich viel oder im gleichen Stil oder so?

Lese ich echt so wenig?

Dieses damalige Pensum von 3000 Seiten plus im Monat habe ich schon ewig nicht mehr. Liegt an verschiedenen Dingen. Dazu zählt für mich übrigens nicht sowas wie “Heutzutage schaue ich mehr Serien/lasse mich mehr berieseln”. Trifft zwar zu, also dass ich sehr viel mehr Serien schaue als früher, und auch mehr Filme, dafür bin ich früher aber zum Beispiel mehr feiern gegangen. Das gehört halt auch dazu, dass man die 24 Stunden, die man am Tag so hat, anders verbringt von Zeit zu Zeit. Nicht besser oder schlechter, einfach anders.

Seit einer ganzen Weile lese ich allerdings vermehrt Zeitschriften (was ich früher nicht so viel gemacht habe). Ich lese auch deutlich mehr berufliche Fachartikel und Fachbücher. Und ich glaube, ich lese tendenziell auch mehr Rollenspielbücher, weil die Auswahl da im Verlauf der Jahre einfach auch immer größer geworden ist. Ich lese also durchaus und nicht mal wenig, ich lese nur im Romanbereich sehr wenig.

Aber Romane sind für mich auch immer ein Abtauchen und Einfühlen. Eine gute Sache, die aber persönlich ist, die man alleine macht. Ich verbringe eben mehr Zeit mit anderen Menschen. Und wenn ich einen Roman lese, dann will ich ihn auch genießen, will mir Zeit nehmen für seine Nuancen, durchaus auch mehr als früher irgendwann mal, weil Nuancen mir damals einfach nicht so wichtig erschienen oder ich sie auch gar nicht unbedingt so wahrgenommen habe. Und wenn man sich Zeit nehmen will, dann muss man eben auch genau das tun – und nicht durch irgendeinen Buchtitel rushen, nur um auf ein “Pensum” zu kommen.

Zusammenfassend glaube ich, ich lese zwar weniger, aber gar nicht so wenig, wie man meinen könnte. Nur eben nicht sonderlich viel im Romanbereich. Und das ist okay.

Umstyling

Wenn man mich fragen würde, welche Genres ich besonders gern oder gar nicht mag, kann ich darauf sehr spontan und zielgerichtet antworten. Ist aber auch sowas, wo man sich zwischendurch mal fragen sollte, ob man sich selbst nicht in einem Käfig sperrt damit, also zumindest, wenn man so ein “Leseflautending” hat.

Als ich Anfang 2014 wieder dieses Lesefieber bekam, habe ich es total genossen, einfach wild durch den Garten zu lesen. Es gab Kinderbücher, Urban Fantasy, Drama, Autobiografisches, Historisches, Krimi, Horror, Science-Fiction und Comics quer durch den Garten. Und das hat einfach Spaß gemacht.

Früher waren beispielsweise “Krimitanten” für mich immer Frauen über mindestens 45 (und 45 synonym für steinalt). Ich konnte mir in meiner Ponywelt einfach nicht vorstellen, dass diese Krimis noch eine andere Zielgruppe haben. Irgendwann Jahre später bin ich schleichend von Horror über Thriller zu Krimis gekommen und war dann irgendwann sehr geschockt, dass es mich damit schon erwischt hatte. So alt war ich doch noch gar nicht!

Aber hey,  wenn ich Bock auf einen Krimi habe, dann lese ich einen. Und wenn ich jetzt einen Anfall von “Ich will Ponygeschichten!” kriegen würde, würde ich einfach welche lesen. Und wenn mich ein momentan total gehyptes Buch nicht interessiert, dann kaufe ich es nicht. Doch wenn mich plötzlich ein Buch im Regal anlacht, dass da – gefühlt oder tatsächlich – seit den 80er Jahren steht und heute keinen mehr interessiert, dann greife ich danach. Und ich wäre sogar so dreist, dazu was zu bloggen oder ein Video dazu zu machen.

Das ist dann nämlich einfach mein Lese-Ich.

Mein. Ich.