Je nachdem, inwieweit ihr euch selbst schon mit verschiedenen Ernährungsformen auseinandergesetzt habt, kennt ihr vielleicht “die Sache” mit den Fischen. Auf den vegetarischen (!) Speisekarten der Restaurants tauchen Fische und Meeresfrüchte ganz gerne mal auf, und über Pescetarier, also die Leute, die auf Fleisch und Wurstwaren verzichten, sehr wohl aber Fisch und Co. konsumieren, diskutiert man ja immer wieder gerne mal.
Zwei Gründe brachten mich dazu, mal etwas zum Thema zu schreiben. Einmal bin ich vom Sternzeichen Fische und weiß daher, dass dieses Sternzeichen sich grob bis Ende März zieht, was ich als Aufhänger für einen Blogpost ganz passend fand, und dann waren wir kürzlich auf Kurzurlaub an der Nordsee. Dort haben wir die Seehundstation besucht, die auch so einiges darüber hinaus an Informationen zu bieten hatte.
Lebewesen ohne “Charakter”?
Fragt man nach, warum Leute Fische essen, obwohl sie Fleisch ablehnen, kommt ziemlich häufig eine Antwort, die sowas beinhaltet wie, dass Fische keinen Schmerz empfinden würden und darum sowas wie Pflanzen wären, dass sie keinen “Geist” und keinen “Charakter” hätten, sondern ohnehin immer nur tumb vor sich hinschwimmen würden ohne Sinn und Verstand.
Ich habe früher Jahre lang Fische und andere Aquarienbewohner gepflegt (was ich heute weitgehend für mich persönlich nicht mehr vertreten kann), und kann nur sagen, dass sich nie jemand mit Fischen genauer beschäftigt hat, der so etwas sagt. Natürlich sind Aquarienbedingungen nicht unbedingt ideal zur sinnvollen Beobachtung dieser Tiere, und einige Verhaltensweisen weichen von der natürlichen Umgebung ab, umso mehr, desto kleiner der künstlich geschaffene Lebensraum der Tiere ist. Auch ein richtiges Schwarmverhalten kann man von 15-20 Fischen in einem – sagen wir – 1m-Aquarium nicht erwarten.
Aber wer zum Beispiel einmal Labyrinthfische wie den Fadenfisch bei der Nestpflege beobachtet hat, der kann eigentlich nicht von fehlendem Geist/Charakter sprechen. Und es ist schon seltsam, in einem Asialaden vor einem Regal mit “gehacktem Schlammfisch” (Channa sp.) zu stehen, während im Netz die Channa– Liebhaber Fotos ihrer Pfleglinge ins Netz stellen.
Meeres … früchte
Es klingt so, als würden sie an buschigen Unterwasserbäumen wachsen und nur darauf warten, gepflückt zu werden: Muscheln, Wasserschnecken, Kalmare, Tintenfische, Hummer, Garnelen, Krabben.
Sie alle sind jedoch Lebewesen, und sogar sehr unterschiedliche. Selbst innerhalb der eigenen Art sind sie sehr unterschiedlichen. Bei den Wasserschnecken gibt es beispielsweise winzige Arten und solche, die mehrere Zentimeter Gehäusegröße umfassen. Es gibt schlichte schlammbraune Gehäuse, gelb-schwarz geringelte, grüne, blaue, pinkfarbene, welche mit “Hörnchen” und noch viele mehr. Manche von ihnen fressen andere Schnecken, manche lediglich Pflanzenreste, manche verputzen Grünzeug wie nichts Gutes.
Auch bei Garnelen gibt es eine riesige Artenvielfalt von gerade mal 2cm messenden Süßwassergarnelen bis hin zu den großen (teils bis 30cm Länge) Meeresgarnelen. Es gibt auch solche, die im Süßwasser leben, aber für ihren Nachwuchs beispielsweise Brackwasser brauchen. Hochinteressant! Und hübsch sind Garnelen teilweise auch wirklich außerordentlich – und wer hat nicht über die putzwütige Garnele (gar nicht mal weit von der Realität entfernt, diese Darstellung) in “Findet Nemo” geschmunzelt?
Das könnte ich so fortsetzen, relevant ist letztlich aber: Meeresfrüchte sind Tiere, kein Obst!
Massentierhaltung und Industriefischerei
Ich selbst frage mich ja schon seit Jahren, wer überhaupt dieses ganze Discounterfleisch kauft, denn seit Jahren erzählen mir Leute irgendwie ständig, dass sie ihres ja nur frisch vom Bauern und besonders hochqualitativ und so weiter beziehen und ansonsten lieber verzichten. Ist ein anderes Thema.
Tatsächlich ist Massentierhaltung und die dadurch geschaffenen Probleme immerhin mittlerweile in der Gesellschaft angekommen. Dass da was gründlich schief läuft, wissen die meisten Leute mittlerweile, und ein zunehmender Teil begreift auch die ganzen dadurch verursachten Probleme.
Industrielle “Gewinnung” von “Nutztieren” ist allerdings generell ein Problem und keines, das sich auf Schweinefarmen reduzieren lässt. Auch die Fischerei schafft damit etliche Probleme, und über die wird immer noch viel zu wenig geredet.
Ein großes Problem industrieller Fangmethoden ist beispielsweise der sogenannte Beifang. Denn natürlich wird nicht nur die Art gefangen, auf die man es eigentlich abgesehen hat, sondern eine ganze Reihe mehr. Diese werden – meist schwer verletzt oder tot – wieder ins Meer geworfen, quasi als Müll entsorgt.
Zudem gibt es eine sogenannte Fangquote, die besagt, wie viel Fische von einer Art gefangen werden darf. Gezählt werden hier allerdings nur die bewusst gefangenen Fische; der eben erwähnte Beifang wird bei diesen Zahlen nicht berücksichtigt!
Insgesamt nehmen Fischbestände durch diese Methoden unkontrolliert ab und durch starke Eingriffe ins Ökosystem (unverhältnismäßig verteiltes Vorkommen von Arten, umgegrabener Meeresboden, zerstörte Korallenriffe) werden einerseits Fischbestände stetig reduziert, zum anderen ganze Systeme zerstört. Laut Greenpeace (Information laut Seehundstation Norddeich, weitere Infos im Netz beispielsweise hier) sind 51% der weltweiten Fischbestände am Limit, also grenzenlos überfischt, 20% mäßig ausgebeutet und weitere 15% überfischt. Da bleibt nicht mehr so viel bei einem Planeten mit so vielen Wasservorkommen.
Zum Beifang gehören übrigens nicht “nur” unerwünschte Fische, sondern auch Meeressäuger wie kleine Wale, Meeresschildkröten und sogar Seevögel.
Hier noch exemplarisch ein paar Zahlen aus der Seehundstation:
- Für 1kg Seezunge stirbt 6kg Beifang
- Für 1kg Shrimps sterben 20kg Meereslebewesen
- Aufgrund des hohen Beifangs bei der Kabeljaufischerei gibt es 7x weniger geschlechtsreife Tiere als vor 30 Jahren
Und das ist durchaus nicht nur von Interesse für Nicht-Fisch-Esser, sondern auch für alle anderen. Selbst Leuten mit primär wirtschaftlichen Interessen sollten die aktuellen Industriefischereimethoden nicht egal sein. So sterben bei der Garnelenfischerei beispielsweise jährlich junge Schollen im “Wert” von etwa 18 Millionen Euro “ungenutzt”.
Nachhaltige Fischerei?
Mir persönlich wäre es natürlich am liebsten, wenn Leute einfach keine Tiere essen würden. Da das allerdings ein utopischer Wunsch ist, wäre der Verzehr mit offenen Augen immerhin ein erster Schritt. Und der besteht nicht in erster Linie darin, nur solche Wasserlebewesen aus Aquakulturen zu essen. Einmal verschmutzen solche Aquakulturen die Umgebung teilweise ganz enorm, dann ist auch der Einsatz von Antibiotika und Co. nicht außer Acht zu lassen.
Biobetriebe müssen sich an vorgeschriebene Bestandsdichten halten, was hinsichtlich der Medikation schon einmal etwas ausmacht, außerdem werden Futter- und Standortwahl geprüft, gerade wegen der Belastung umgebender Ökosysteme. Das ändert alles nichts daran, dass auch hier Lebewesen schlicht für den (im Grunde) Luxus sterben, … aber es ist zumindest schon mal ein erster Anhaltspunkt für Leute, die mal drüber nachdenken wollen, Fische und andere Wasserlebewesen in ihre ökologischen Bestrebungen aufzunehmen.
Aber Fisch ist doch gesund!
Die Probleme durch zum Beispiel Antibiotika in Aquakulturen habe ich bereits angesprochen, bei den Wildfängen sollte man die hohe Belastung durch zum Beispiel Schwermetallbelastung nicht außer Acht lassen. Da ich es immer besser finde, wenn Leute sich selbst informieren statt Vorgekautes pauschal für sich anzunehmen oder rundheraus abzulehnen, hier noch ein paar ziemlich unterschiedliche Links, die sich zum Einstieg in die Thematik für euch vielleicht lohnen:
Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB)
Iod
Die Iodversorgung stellt noch immer ein ziemliches Problem dar, was eines der meistgenutzten Gründe für die Empfehlung von Fischkonsum ist. Wie sieht es damit aus?
Tatsächlich gilt Deutschland als Iodmangelland, und so wird hier seit gut 20 Jahren die sogenannte Iodprophylaxe angewandt. Das bedeutet, dass einerseits verstärkt auf die Verwendung von mit Iod angereichertem Speisesalz hingewiesen wird, andererseits in Bäckereien, Mensas und so weiter in erster Linie Iodsalz verwendet wird, diese Speisen also von vornherein mit Iod angereichert wurden.
Pro Kilogramm (!) Salz enthält so ein Jodsalz 15-25 Milligramm Iod, die empfohlene Tagesdosis liegt bei ca. 200 Mikrogramm. Die empfohlene Tagesmenge an verwendetem Salz liegt bei 1,5-3g, also nicht mal ein Teelöffel und längst nicht soviel, dass man durch die Verwendung von Iodsalz – selbst mit Verwendung weiterer voriodierter Speisen wie Brot und so weiter – gesundheitliche Schäden durch eine Überdosierung befürchten müsste,
Ein bisschen vorsichtig sollte man hierzulande allerdings mit der Verwendung von Algen sein. Diese erfreuen sich ja seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit und gerade Veganer – ich auch – schwören oftmals auf sie zur natürlichen Iodversorgung. Gerade die am meisten verwendeten Noriblätter (die, in die eure Sushiröllchen so schick eingerollt wurden; gibt es mit Gurke, Avocado, Rettich, Kürbis usw. sogar vegan zu kaufen, wobei Selbermachen ja sowieso immer besser ist) enthalten noch relativ wenig Iod, grundsätzlich besteht das Problem bei Algen allerdings vor allem darin, dass der Iodgehalt extrem variieren kann.
Wer bereits Probleme mit der Schilddrüse hat, vielleicht aufgrund bislang unberücksichtigter Iodzufuhr, der kann durch ein Zuviel an Algen durchaus Probleme bekommen und beispielsweise in eine Überfunktion der Schilddrüse rutschen.
Iod gehört also zu den Mineralstoffen, auf die man – so oder so, aber gerade als Veganer und/oder Schwangere, Stillende – ein Auge haben sollte!
Die Schilddrüse – das unbekannte Wesen
Am ehesten kennen die Leute den “Kropf”, was nichts anderes ist als eine verdickte Schilddrüse – die übrigens sowohl durch eine Unterfunktion als auch Überfunktion der Schilddrüse bedingt sein kann. Man nennt sie auch “Schmetterlingsdrüse” und findet sie rechts und links des Kehlkopfes.
Wie schon vorher beschrieben kommt ein Iodmangel recht häufig vor (und das eben nicht besonders bei Veganern!). Grundsätzlich kann man auf diesen Mangel medizinisch abseits weniger Sonderfälle gut reagieren, aber am besten ist natürlich, man bekommt gar nicht erst Probleme.
Das Problem bei einem Ungleichgewicht in der Iodversorgung besteht vor allem darin, dass der Körper relativ empfindlich auf dieses Ungleichgewicht reagiert. Bei der Unterfunktion werden die Haare beispielsweise struppig oder fallen vermehrt aus, man fühlt sich müde und abgeschlagen, das Gesicht wirkt leicht geschwollen bis teigig, es kann zu Verstopfung, Gewichtszunahme und niedrigem Blutdruck kommen.
Bei der Überfunktion ist das Problem quasi umgekehrt. Hier zeigen sich eher Durchfälle, Nervosität, Schweißausbrüche und Herzklopfen.
Wer sicher gehen will, sollte mal seinen Hausarzt zum Thema befragen. Der allgemeine Wert (TSH) wird bei einem Blutbild zumeist mitbestimmt, und wer es ganz genau wissen will, kann noch die Werte T3 und T4 bestimmen lassen. Sehr grob gesagt verhält es sich beim TSH nämlich ähnlich wie beim Cholesterin: Die Gesamtmenge (TSH) zeigt, ob der allgemeine Grenzwert überschritten wird, die Bestimmung von T3 und T4 zeigt eine detailliertere Variante. Interessant ist diese Detailbetrachtung allerdings in erster Linie dann, wenn der TSH-Wert einen Grenzwert erreicht oder überschreitet und bietet dann einen ersten Anhaltspunkt für weitere Diagnostik.
Fazit
Fische sind ebenso Lebewesen wie Meeres”früchte”. Sie einfach bedenkenlos als “Seafood” zu “nutzen” ist nicht okay, und es lässt sich auch nicht durch gesundheitliche Benefits vom tollen, leicht verdaulichen Eiweiß bis hin zur Iodversorgung entschuldigen.
Das heißt auf der anderen Seite nicht, dass man Notwendigkeiten wie die der Iodversorgung außer Acht lassen sollte. Auf jeden Fall sollte man seine Speisen mit Iodsalz anreichern, und hier und da ein paar Algen sind auch hilfreich. Von den bekannten Noriblättern (Maki-Sushi) über Hijiki-Algen (beispielsweise in Suppen) bis hin zu Wakame-Algen (“Seetangsalat”) ist die Vielzahl gegeben. Man bekommt sie mindestens in jedem Asialaden und via Internet, in Großstädten auch schon mal in Discountern oder Reformhäusern.
Bedenkenlos sollte man allerdings auch bei Algen nicht zugreifen. Manch eine Sorte gedeiht beispielsweise genau dort am besten, wo die Wasserverunreinigung ziemlich hoch ist, und wer bereits Probleme mit der Schilddrüse hat, kann durch ein Zuviel an Algen im Essen einen Boost verursachen, der ebenfalls auf die Schilddrüse geht und diese empfindlich stören kann. Hier und da mal ein bisschen schadet jedoch nicht und versorgt einen besser mit Iod als jeder Fisch. Wer sich bezüglich seiner Schilddrüse unsicher ist, sollte mal seinen Hausarzt dazu befragen beziehungsweise einen Laborcheck veranlassen.